Prospekthaftpflichtversicherung
Prospekthaftpflichtversicherung
Begrifflichkeit und Abkürzungen
POSI ("Public Offering of Securities Insurance") oder IPO ("Initial Public Offering") oder auch "Prospekthaftungsversicherung" – keine der Bezeichnungen trifft es ganz genau, aber das macht nichts, denn sie werden durchweg wie Synonyme verwendet. Unproblematisch dagegen: SPO, "Secundary Public Offering", Zweitplatzierung.
Die POSI – denn es handelt sich nicht um den erstmaligen Börsengang als solchen, sondern um die Versicherung der dabei auftretenden Risiken; aber eben nicht nur die der Prospekthaftung, sondern aller Risiken für den Emittenten im Zusammenhang mit einem Börsengang – ist als Haftpflichtversicherung konzipiert. Sie soll vor Schadensersatzansprüchen schützen, die aufgrund von Vermögensschäden in der Folge von Pflichtverletzungen des Versicherten gegen diesen geltend gemacht werden.
Wer Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen herausgibt, muss seine Investoren ausführlich über die Chancen und Risiken der Geldanlage informieren. Dies geschieht in einem Prospekt. Der Prospekt stellt für den Käufer eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dar. Der muss daher erwarten können, dass der Prospekt vollständige zutreffende Angaben enthält. Fahren Anleger mit solchen Wertpapieren dann Verluste ein und können Fehler im Prospekt nachgewiesen werden, drohen allen an der Wertpapieremission Beteiligten bis zu zehn Jahre nach der Herausgabe empfindliche Schadensersatzforderungen. Das Vermögensschadenrisiko, für das der Emittent eines Wertpapieres im Schadenfall gegenüber dem Anleger haftet, deckt die Prospekthaftungsversicherung ab.
Die Herausgabe von Wertpapierprospekten ist deshalb so risikoreich, weil deren Emittenten nicht nur für eine unvollständige oder falsche Darstellung von Tatsachen, für falsche Wertungen oder leichtfertige Prognosen haften, sondern auch dann, wenn sie Tatsachen, Risiken oder Interessenkonflikte verschwiegen haben, die für eine Anlageentscheidung relevant gewesen wären. Ein Beispiel: Den Käufer einer Neuemission unvollständig informiert zu haben, kann leider auch bedeuten, dass man ihm Umstände vorenthalten hat, die sich vielleicht erst nach der Veröffentlichung des Prospekts ergeben haben. Um solche Informationslücken zu vermeiden, verpflichtet das Wertpapierprospektgesetz Emittenten dazu, solche Umstände in Form von Prospektnachträgen zu benennen.
Prospektpflichtige Kapitalmarktmaßnahmen
- erstmaliger Börsengang (Initial Public Offering, IPO)
- Zweitplatzierungen (Secundary Public Offering, SPO)
- Kapitalerhöhungen
- Fremdkapitalemissionen
Nicht prospektpflichtig: das Delisting
Die Haftungsnormen sind bei allen prospektpflichtigen Fremd- und Eigenkapitalfinanzierungsformen weitgehend identisch. Der Ursprung für Haftungsansprüche sind immer (fast) unrichtige oder unvollständige Angaben im Wertpapierprospekt.
Die POSI-Versicherten
Der Kreis der Versicherten wird in der POSI-Police individuell festgelegt. Grundsätzlich kommen alle an einer Kapitalmarktemission Beteiligten in Frage. Versicherungsnehmerin ist das emittierende Unternehmen; mitversichert sind Tochtergesellschaften und sämtliche Betriebsangehörigen (insbesondere das Management des Emittenten); die veräußernden und kontrollierenden Eigentümer / Aktionäre (bei IPO und SPO). Mitversicherbar sind die an der Wertpapieremission beteiligten Mitarbeiter der Konsortialbank(en), Wirtschaftsprüfer und Anwaltskanzleien. Dieser Personenkreis lässt sich vor dem IPO allerdings oft vertraglich von einer Haftung freistellen.
Zweitplatzierung: Secondary Public Offering (SPO)
Nach einem ersten Börsengang haben nun also börsennotierte Unternehmen die Möglichkeit, weitere Börsengänge durchzuführen. Erneut werden Wertpapiere (Aktien, Anleihen) zum öffentlichen Verkauf angeboten. Dieses Secondary Public Offering dient der abermaligen Kapitalbeschaffung und ist grundsätzlich mit den selben Risiken behaftet wie das Initial Public Offering. Wie der IPO ist der SPO prospektpflichtig; die Börsengänge können in analoger Weise versichert werden: durch eine projektbezogene Individualpolice. Die Prämie ist eine Einmalprämie, die Laufzeit wird meistens auf mehrere Jahre festgelegt. Schäden oder prophylaktische Schadenschätzungen, die während der Laufzeit gemeldet wurden, können noch übernommen werden, wenn sie erst nach Ende der Laufzeit tatsächlich geltend gemacht werden. Die übrige Gestaltung der Versicherung ist nicht verallgemeinerbar. Jeder Emittent, jeder IPO und jeder SPO hat seine Besonderheiten.
Wie bereits erwähnt: Die wirtschaftlichen Beweggründe für ein Secondary Public Offering ähneln denen für ein IPO. Dem Unternehmen geht es in den überwiegenden Fällen darum, Kapital aufzubringen. Auch in diesem Fall ist der Wertpapierprospekt wieder die Entscheidungsgrundlage, auf der viele Anleger ihre Aktienkäufe tätigen. Fehler im Prospekt lösen die Prospekthaftung aus, die durch die Versicherung zum Secondary Public Offering abgedeckt wird.
Alternativen zur POSI?
Eine allgemeine Haftpflichtversicherung oder eine Betriebshaftpflichtversicherung umfassen den Schutz des Prospekthaftungsrisikos in der Regel nicht, da diese Versicherungen vorrangig Personen-, Sach- sowie hieraus resultierende Vermögensschäden abdecken. Auch die landläufige Meinung, die Organe und das Unternehmen seien bei einem Börsengang durch die D&O-Versicherung hinreichend abgesichert, hat sich als irrig erwiesen. Eine D&O-Versicherung schützt hier nicht oder nicht umfassend, da diese zwar das persönliche Haftungsrisiko der Unternehmensorgane sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis absichert, nicht aber das Unternehmen selbst. Die Risiken eines IPO sowie der Herausgabe von Wertpapieren generell, beziehen sich zwar nicht nur, aber in erster Linie auf das Unternehmen als Emittent der Wertpapiere.
Zudem enthält die D&O meistens explizite Ausschlüsse für Wertpapierhandel, da dieser eine erhebliche Gefahrerhöhung darstellen würde. Daher werden die Risiken, die sich aus einem Börsengang oder der Ausgabe einer Anleihe ergeben, separat über eine Prospekthaftungsversicherung mit eigener Deckungssumme abgedeckt.
Tipp: Anzeigeobliegenheiten der D&O-Versicherung
Durch Kapitalmarktaktivitäten ändert sich – ganz unabhängig von einer POSI – auch das D&O-Risiko wesentlich. Deshalb sollte auf die Anzeigeobliegenheiten der laufenden D&O- Versicherung sowie deren Anpassung geachtet werden; dies gilt insbesondere bei der erstmaligen Platzierung von Wertpapieren. Die Kapitalmarktfolgepflichten (z.B. Halbjahres- und Jahresabschluss, Lage(zwischen)bericht) eines Unternehmens können dann regelmäßig über die D&O des Emittenten abgedeckt werden.